Hinter einer Scheibe steht eine nicht erkennbare Frau, ihre Hand hält sie an die Scheibe.
Triggerwarnung: häusliche Gewalt

Wenn Frauen (und FINTAs) von ihrem Partner oder Familienmitglied getötet werden ist das weder ein Familiendrama oder ein Ehestreit: Es ist ein Femizid. Eine Übersicht über fünf Schaffhauser Femizide von 1979 bis 2021.

Femizid: Ein Begriff, der in den 1990er aufkam und die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts beschreibt. Ein Femizid wird meistens vom Partner, Ex-Partner oder einem Familienmitglied begangen.

Alle zwei Wochen stirbt in der Schweiz eine Person infolge häuslicher Gewalt, vier davon sind Kinder. Das schreibt das Eidgenössische Büro für Gleichstellung von Frau und Mann. Zusätzlich erfolgt jede Woche ein Tötungsversuch einer Frau durch ihren Partner oder männliches Familienmitglied. Das Problem: Oft werden Femizide nicht als solche benannt, sondern in den Medien als «Beziehungsdrama» oder «Ehrenmorde» bezeichnet, also romantisiert und heroisiert. Es ist an der Zeit, diese Gewalttaten beim Namen zu nennen: Es sind Femizide.

Weltweit werden täglich 137 Femizide begangen (Stand: 2019, Quelle: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung).

S’MAGAZIN recherchierte fünf Femizide in Schaffhausens jüngster Geschichte. Wir möchten hier noch klarstellen, dass diese Frauen absolut nichts getan haben, ausser über ihr Leben selbst zu bestimmen, was kein Verbrechen ist. Die Schuld liegt alleine bei den Tätern.

1979: Brigitte S.

In den frühen Morgenstunden am 24. Februar 1979 wurde Brigitte S. vor ihrer Wohnung in der Webergasse von ihrem Exfreund Emil K. erstochen. Die 24-Jähre verstarb an den inneren Verletzungen. S. hatte schon vor der Tat ihre Angst vor dem 13 Jahren älteren Exfreund ausgedrückt (Schaffhauser Nachrichten vom 26. Februar 1979). Im Gerichtsprozess kam heraus, dass K. seine Exfreundin schlug und «masslos eifersüchtig» war. Ausserdem wurde er schon früher zu einer Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung verurteilt.

Das Urteil für K. lautete vier Jahre Gefängnis (abzüglich 276 Tage, die er bereits in Untersuchungshaft sass) wegen vorsätzlicher Tötung. (Schaffhauser Nachrichten, 1. Dezember 1979)

1989: Dobrila Z.

Dobrila Z. wurde am 11. Juli 1989 auf offener Strasse von ihrem Mann Ilija Z. erschossen. Die Schaffhauser Nachrichten schrieb in der Ausgabe vom 12. Juli von einem «Ehedrama mit schrecklichem Ausgang». In der Safrangasse erschoss Z. seine Frau nach einem Streit, indem es um ihren gemeinsamen Sohn ging, aus nächster Nähe. Z. richtete seine Frau inmitten mehreren Passanten mit einem Kopfschuss hin, sie verstarb sofort, er liess sich noch am Tatort festnehmen. Schon vor der Tat liess Z. seiner Frau Morddrohungen durch seinen Bruder ausrichten. Dobrila Z. lebte zur Zeit des Femizides getrennt von ihrem Ehemann in einem Frauenhaus. Sie wurde 23 Jahre alt.

Die Anklage gegen Z. lautete vorsätzliche Tötung. Er wurde zu 12 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Landesverweisung und einer Genugtuungssumme von 25’000 für seinen Sohn verurteilt.

1990: Ida S.

Am 23. Februar 1990 wurde Ida S. in Neuhausen Opfer eines Femizids. S. wurde von ihrem 53-jährigen Partner Giuseppe P., mit dem sie seit einigen Jahren zusammenlebte, mit einer Axt getötet. P. sagte aus, dass er wegen eines Wutausbruchs auf seine Partnerin einschlug und danach eine grosse Axt aus dem Schlafzimmer holte. P. erlitt sieben Monate nach der Tat einen Hirnschlag und verstarb in Untersuchungshaft.

1995: Versuchter Femizid in Ramsen

Am 1. März 1995 schlug ein Mann auf seine Frau mit einem Stein ein. Der ebenfalls verletzte Mann versuchte die Tat als Überfall zu verschleiern. Darüber, wie der Fall ausgegangen ist, und ob die Frau überlebte, konnten keine Informationen gefunden werden.

2021: Wilchingerin von Enkel erstochen

Laut dem Rechercheprojekt Stop Femizid* wurden alleine in 2021 bereits 19 Frauen Opfer von Femiziden oder versuchten Femiziden, davon eine Schaffhauserin (Stand: 26.06.2021). Die 80-Jährige wurde von ihrem Enkel in Wilchingen erstochen. Dieser ergriff nach der Tat die Flucht und nahm sich kurz darauf selbst das Leben.

Häusliche Gewalt nimmt zu

In der Schweiz wurden vergangenes Jahr 10’879 Personen der häuslichen Gewalt beschuldigt, 8’000 davon sind Männer. Häusliche Gewalt äussert sich in zahlreichen Formen wie psychisch, physisch oder sexuell.

Laut der Kriminalstatistik des Kantons Schaffhausens wurden letztes Jahr 260 Fälle von häuslicher Gewalt im Kanton gemeldet, 11 davon fielen in die Kategorie «Gefährdung Leben». 2019 waren es insgesamt 237 Fälle.

Diese Recherche soll zeigen, dass Femizide und Gewalt gegen Frauen auch in der Schweiz und Schaffhausen keine Einzelheiten sind. Durch unsere Geschichte wurden Frauen getötet, einfach weil sie Frauen sind.

Betroffene von häuslicher Gewalt finden bei der Fachstelle für gewaltbetroffene Schaffhausen kostenlose und vertrauliche Unterstützung und Beratungsgespräche.

(Symbolbild: Hakeem James Hausley von Pexels)


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